Nach jeder Messung eines Geschwindigkeitsverstoßes wird von dem durch das eingesetzte Messgerät festgestellten Wert ein sog. Toleranzabzug gemacht. Dies kann bereits geräteintern durch die Software oder nachträglich durch die Kontrollbeamten - oder sogar erst später durch das Gericht - erfolgen.
Dieser Abzug dient zu Kompensation etwaiger Messfehler. Die möglichen Messungenauigkeiten können geräte-intern vorkommen; sie können aber auch auf Fehlern des Bedienungspersonals beruhen.
Berücksichtigt werden muss allerdings, dass die eingesetzten Geräte überhaupt nur dann Werte zur Auswertung ausgeben und nicht mit einer Fehlermeldung abbrechen, wenn sämtliche Folgen aus Fehlerquellen innerhalb eines sehr begrenzten Toleranzbereichs liegen. So kommt bei Radarmessverfahren lediglich ein Toleranzabzug von 3 km/h bei Geschwindigkeiten unterhalb von 100 km/h und von 3 % der gemessenen Geschwindigkeit darüber in Betracht. Hingegen wird verschiedentlich bei der Methode des Nach- oder Vorausfahrens mit ungeeichtem Tacho im Polizeifahrzeug ein Toleranzabzug von 20 % vom abgelesenen Wert vorgenommen wird.
OLG Rostock v. 27.04.2001:
Stützt das Gericht seine Überzeugung, ein Verkehrsteilnehmer habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, auf das Ergebnis eines standardisierten Messverfahrens, bilden die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert grundsätzlich die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Da die Zuverlässigkeit der verschiedenen Messmethoden und ihr vom Tatrichter zu beurteilender Beweiswert naturgemäß voneinander abweichen, kann es grundsätzlich nicht mit der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Geschwindigkeit sein Bewenden haben. Vielmehr muss der Tatrichter, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, neben dem angewandten Messverfahren jeweils auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene kein uneingeschränktes Geständnis abgelegt hat.
OLG Brandenburg v. 29.09.2004:
Bei Lasermessgeräten des Typs Riegl LR 90-235/P ist die Angabe des vorgenommenen Toleranzabzuges im Urteil nötig; bei Wegstrecken-Zeit-Messgeräten ist dies entbehrlich, da die Software den Abzug bereits automatisch vornimmt.
OLG Celle v. 21.09.2011:
Um dem Rechtsbeschwerdegericht die richtige Anwendung des sachlichen Rechts zu ermöglichen, muss das angefochtene Urteil in Fällen der Anwendung eines sog. standardisierten Messverfahrens zur Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen zumindest das angewandte Messverfahren, den berücksichtigten Toleranzabzug sowie die Mitteilung enthalten, dass die Bedingungen des Messverfahrens eingehalten wurden, also insbesondere die Beachtung der Bedienungsvorschriften sowie die erforderliche Eichung des Geräts.
OLG Hamm v. 02.08.2012:
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass das Tatgericht bei standardisierten Messverfahren wie dem hier verwendeten ES 3.0 lediglich Feststellungen zu dem verwendeten Messgerät, der verwendeten Messmethode, dem zu berücksichtigenden Toleranzwert sowie der gültigen Eichung des Messgeräts im Zeitpunkt der Messung treffen muss. Die Mitteilung des Abstandes des gemessenen Fahrzeugs von der Fotolinie ist nicht erforderlich.
OLG Koblenz v. 31.01.2013:
Der Tatrichter muss, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, im Urteil das angewandte Messverfahren und den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen (BGH NJW 1993, 3081; OLG Koblenz, Beschl. 1 Ss 289/03 v. 9.12.2003). Dieser Darstellung bedarf es nur dann nicht, wenn der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft einräumt, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein.
OLG Celle v. 31.07.2013:
Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, muss der Tatrichter neben dem angewandten Geschwindigkeitsmessverfahren jeweils auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen (Anschluss OLG Rostock, 27. April 2001, 2 Ss (OWi) 23/01 I 58/01, ZfSch 2001, 383).
OLG Bamberg v. 05.11.2015:
Werden bei der Anwendung eines sog. standardisierten Messverfahrens nicht auch die vorgenommenen Toleranzabzüge im Urteil mitgeteilt und ergibt sich auch sonst nicht aus dem Urteil, dass die zu Grunde gelegte Geschwindigkeit bereits den Toleranzabzug enthält, ist eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich und unterlegt die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung der Aufhebung.
OLG Koblenz v. 18.01.2023:
Auf Angaben zum Messverfahren und Toleranzwert kann bei Geschwindigkeitsverstößen nur in den wenigen Fällen eines echten “qualifizierten” Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (BGH NJW 1993, 3081; OLG Bamberg, NStZ-RR 2007, 321; OLG Celle, Beschluss vom 9. April 2009, 322 SsBs 301/08, juris). Enthält ein tatrichterliches Urteil keine Angaben über die Einlassung des Betroffenen zum Tatvorwurf, muss auch bei standardisierten Messverfahren der berücksichtigte Toleranzwert mitgeteilt werden.
AG Haßfurt v. 22.03.2013:
Ohne Verkennung der allgemeinen Unsicherheiten und Fehlerquellen der Geschwindigkeitsermittlungsmethode durch Schätzung sind zur Überzeugung des Gerichts Bedenken gegen die Richtigkeit der Schätzung der Geschwindigkeit des Betroffenenkraftrades durch einen erfahrenen und zuverlässigen Messbeamten dann vollends ausgeräumt, wenn zum einen als objektiver verlässlicher Bezugspunkt die mittels standardisiertem Lasermessverfahren gemessene Beanstandung des in gleichbleibendem Abstand vorausfahrenden Kraftrades herangezogen werden kann und zum anderen eine Geschwindigkeitstoleranz von 10% zugunsten des Betroffenen gewährt wird.
OLG Oldenburg v. 08.09.1994:
Bei einem Toleranzabzug von 3 km/h bis 100 km/h und 3 % darüber ist die Messung mit der Laserpistole GMG LTI 20.20 TS/KM ein anerkanntes standardisiertes Messverfahren.
AG Landau v. 02.08.2005:
Beim Gerät "Einseitensensor ES 1.0" des Herstellers ESO GmbH ist bei Geschwindigkeiten über 100 km/h ein Toleranzabzug von 3 % vorzunehmen.