Das Verkehrslexikon

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Fahrverbot bei sog. Regelverstößen - Geschwindigkeit - Rotlicht - Alkohol - Abstand

Fahrverbot bei sog. Regelverstößen - Regelfahrverbot




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Regelfahrverbot trotz verwaltungsrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis
-   Abweichen vom Regelfahrverbot
-   Kompensation durch Erhöhung der Geldbuße
-   Keine automatische Addition bei mehreren Regelverstößen
-   Beschränkung der Rechtsbeschwerde

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Einleitung:


Zu den sog. Regelverstößen, bei denen ein Fahrverbot verhängt werden soll, gehören vor allem schwerwiegende

Rotlichtverstöße;
Geschwindigkeitsverstöße;
Abstandsverstöße
Verstöße gegen Pflicht zur Rettungsgassenbildung und
Verstöße gegen § 24 a StVG (Alkohol oder Drogen).


In diesen Fällen spricht man auch von groben Pflichtverletzungen, bei denen auch ohne konkrete Gefährdung allein wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit für die Verkehrssicherheit ein Fahrverbot angezeigt ist.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Fahrverbot

Fahrverbot im Strafverfahren

Regelfahrverbot

Fahrverbot bei Rotlichtverstößen - Einzelfälle

Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitungen - Einzelfälle

Rettungsgasse bei stockendem Verkehr

Absehen vom Fahrverbot allgemein

Fahrverbot und sog. Augenblicksversagen

Absehen vom Fahrverbot wegen Existenzgefährdung oder drohendem Verlust des Arbeitsplatzes

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Allgemeines:


Beck DAR 1997, 32:
Zusammenstellung von Fällen, in denen von der Rechtsprechung in der Regel trotz Vorliegens eines sog. qualifizierten Rotlichtverstoßes von einem Fahrverbot abgesehen wurde

BGH v. 28.11.1991:
Grundsätzlich zur Verhängung eines Fahrverbots bei den sog. Regelverstößen (Rotlicht und Geschwindigkeit)

KG Berlin v. 30.03.93 und v. 07.07.1994:
Zum Regelfahrverbot im Anschluss an den BGH

OLG Hamm v. 07.03.1996:
Zum Umfang der Ermessens-Überprüfung bei Regelverstößen

OLG Jena v. 10.01.2005:
Zum Regelfahrverbot gem. § 24a StVG

OLG Jena v. 25.03.2010:
Wer einen Bahnübergang bei rotem Blinklicht überquert, handelt in der Regel grob fahrlässig.

OLG Köln v. 07.09.2012:
Die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung eines Regeltatbestandes der Bußgeldkatalogverordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass ein gänzliches Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes gerechtfertigt ist, unterliegt zwar in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung. Dem Tatrichter ist insoweit aber kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt. Vielmehr ist der ihm verbleibende Entscheidungsspielraum durch gesetzlich niedergelegte und durch von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt. Insoweit unterliegt die verhängte Rechtsfolge hinsichtlich ihrer Angemessenheit in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht.

KG Berlin v. 11.07.2014:
Eine unkritische Würdigung der Einlassung des Betroffenen und seiner Zeugen rechtfertigt nicht, vom Verhängen eines Regelfahrverbotes abzusehen.

KG Berlin v. 08.10.2014:
Das Verhängen eines Regelfahrverbotes schränkt grundsätzlich die Mobilität des Betroffenen ein und bedingt berufliche oder wirtschaftliche Nachteile. Diese häufigsten Folgen eines Regelfahrverbotes sind hinzunehmen. Daher reichen allein die Hinweise der Betroffenen auf ihre bundesweite Tätigkeit im Außendienst sowie auf ihre private Situation als alleinerziehende Mutter ohne familiäre Unterstützung nicht aus, um von einem Regelfahrverbot abzusehen. - Der Tatrichter muss bereits aus Gründen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit erkennen lassen, dass er sich mit den Angaben der Betroffenen zur Auswirkung eines Regelfahrverbotes kritisch auseinandergesetzt hat.

OLG Frankfurt am Main v. 31.01.2022:
  1.  Die Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV, Nr. 132.3 BKat indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, weshalb es regelmäßig eines Fahrverbots bedarf; ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung rechtfertigt ist (Anschluss an BGHSt 38, 125 = NZV 1992, 117; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.3.2020 - 1 Ss-OWi 72/20).

  2.  Von einem die Regelwirkung durchbrechenden atypischen Einzelfall ist auszugehen, wenn entweder der Erfolgsunwert erheblich vermindert ist oder nur ein Verstoß von minimalem Handlungsunwert vorliegt.

  3.  Zu der Frage der erheblichen Verminderung des Erfolgsunwerts und eines minimalen Handlungsunwerts aufgrund eines Augenblicksversagens und des „Mitzieheffekts“

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Regelfahrverbot trotz verwaltungsrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis:


OLG Düsseldorf v. 19.12.2022:
Ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG und die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde stellen keine „Doppelbestrafung“ dar. - Die Verhängung eines Fahrverbots ist im Bußgeldverfahren auch dann veranlasst, wenn die Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen worden ist. Denn die Eintragung eines Fahrverbots im Fahreignungsregister wird im Wiederholungsfall bei künftigen Zumessungserwägungen oder auch für die Frage, ob dem Betroffenen eine viermonatige Schonfrist zu gewähren ist, regelmäßig von Bedeutung sein.

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Abweichen vom Regelfahrverbot:


OLG Hamm v. 19.01.2010:
Der Tatrichter hat im Rahmen der Verhängung des Fahrverbotes stets zu prüfen, ob außergewöhnliche Umständen vorliegen, die ausnahmsweise, insbesondere unter Beachtung des Übermaßverbotes, das Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen, was dann der Fall ist, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen.

OLG Hamm v. 29.05.2012:
Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art wie z. B. der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist dabei eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist insoweit nicht ausreichend.

OLG Zweibrücken v. 10.12.2015:
Handelt es sich um die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots, darf das Vorliegen eines Ausnahmefalls nicht ausschließlich aus der nicht näher belegten Einlassung des Betroffenen abgeleitet werden. Soweit das Tatgericht nicht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht zur Erhebung naheliegender Beweismittel verpflichtet gewesen ist, kann es jedoch rechtlich nicht beanstandet werden, wenn sich das Tatgericht über die fehlende Möglichkeit der Abwendung der Existenzbedrohung durch Verbüßung des Fahrverbots während eines zusammenhängenden Urlaubs durch - alleinige - Einvernahme des Betroffenen seine Überzeugung verschafft hat.

OLG Bamberg v. 22.01.2019:
Ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot sowie die Herabsetzung der Regelgeldbuße wegen Fehlens einschlägiger Vorahndungen ist deshalb verfehlt, weil die in der BKatV vorgesehenen Regelsanktionen gemäß § 3 Abs. 1 BKatV von einen nicht vorgeahndeten Betroffenen ausgehen.

KG Berlin v. 16.04.2019:
Die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlich unterlassenen Rettungsgassenbildung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein solches ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV in Verbindung mit der laufenden Nr. 135 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV neben der Verhängung einer Geldbuße regelmäßig vorgesehen. Von der Anordnung des Fahrverbotes kann lediglich dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht, dass die Verhängung eines Fahrverbotes eine unangemessene Härte darstellt.

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Kompensation durch Erhöhung der Geldbuße:


Absehen vom Regelfahrverbot - Kompensation durch Erhöhung der Geldbuße

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Keine automatische Addition bei mehreren Regelverstößen:


OLG Stuttgart v. 18.12.1995:
Wenn ein Verkehrsverstoß mehrere Tatbestände der Bußgeldkatalogverordnung, die jeweils ein Regelfahrverbot von einem Monat vorsehen, erfüllt, darf - bei Vorliegen eines Regelfalles - die Dauer der einzelnen Fahrverbote nicht lediglich addiert werden. Vielmehr kommt ein längeres Fahrverbot nur dann in Betracht, wenn gewichtige Umstände erkennen lassen, dass ein Fahrverbot von einem Monat - auch bei Ausschöpfung des Bußgeldrahmens - nicht ausreicht, um den Betroffenen nachhaltig zu beeindrucken. Die Gründe dafür sind im Urteil darzulegen.

OLG Brandenburg v. 04.01.2011:
Zur Frage, warum grundsätzlich keine Addition von Regelfahrverboten erfolgt, wenn dieselbe Handlung sowohl die Voraussetzungen einer groben als auch einer beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 StVG, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BKatV erfüllt.

KG Berlin v. 12.12.2014:
Keine automatische Addition der Regelfahrverbote, wenn der Tatrichter zwei Tatbestände der Bußgeldkatalogverordnung als erfüllt ansieht, die jeweils als Folge ein Regelfahrverbot vorsehen.

KG Berlin v. 27.10.2020:
Erfüllt eine Tat zwei Fahrverbotsregeltatbestände, kommt es nicht automatisch zu einem zweimonatigen Fahrverbot. Es kommt aber dann einer Erhöhung über einen Monat hinaus in Betracht, wenn gewichtige Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass ein Fahrverbot von einem Monat nicht ausreicht, um ihn nachhaltig zu beeindrucken.

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Beschränkung der Rechtsbeschwerde:


OLG Rostock v. 22.12.2015
Wird die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, erwachsen auch die tatrichterlichen Feststellungen zur Höhe einer Geschwindigkeitsüberschreitung als sogenannte doppelrelevante Tatsachen in Rechtskraft und sind damit für das weitere Verfahren, in Sonderheit für die Frage, ob die gesetzlich normierten Voraussetzungen eines Regelfahrverbots vorliegen, bindend.

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