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Auffahrunfälle und Anscheinsbeweis

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Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle

Auffahrunfall - Grundsätze

Auffahrunfälle und Anscheinsbeweis

Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kommt nur bei Heckschäden, nicht bei seitlichen Schäden, zur Anwendung.

Unterschreiten des nötigen Sicherheitsabstandes

Der Anscheinsbeweis spricht gegen den Auffahrenden - aber nicht immer

Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden und Auffahrunfall

Auffahrunfall infolge Drittverschuldens

Zur Haftungsverteilung bei einem durch den Fehler eines Dritten verursachten Auffahrunfall

Auffahrunfälle auf der Autobahn

Kettenunfall - doppelter Auffahrunfall - Massenkaramboulagen

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Allgemeines:


OLG Köln v. 19.03.1986:
Keine Anwendung des gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises, sondern Schadensteilung bei Streit über Rückwärtsfahren oder Auffahren an grün werdender Ampel.

KG Berlin v. 18.04.1994:
Ist einem Auffahrunfall ein Fahrstreifenwechsel vorangegangen, kann der grundsätzlich für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis nicht zum Tragen kommen. Ein Fahrstreifenwechsel begründet einen ersten Anschein dahin, dass der im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Wechsel eingetretene Auffahrunfall auf schuldhafter Vernachlässigung der sich aus StVO § 7 Abs 5 ergebenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen beruht. Im Einzelfall ist jedoch eine hälftige Schadenteilung geboten, wenn ein Fahrzeugführer einen Fahrstreifenwechsel von dem vierten in den fünften Fahrstreifen einer stark befahrenen Kreuzung zu einem Zeitpunkt eingeleitet hat, als er den links hinter ihm liegenden Verkehrsraum durch einen wartenden Linksabbieger abgesichert glaubte.

LG Itzehoe v. 18.06.1996:
Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist auch dann anwendbar, wenn von ihm behauptet wird, das Vorderfahrzeug sei rückwärts gerollt.

LG Berlin v. 06.01.2000:
Der Anscheinsbeweis eines Auffahrens ist nicht schon dadurch zu entkräften, dass der Auffahrende einen Sachverhalt darlegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes ergibt. Er muss die der Typizität entgegenstehenden Tatsachen, hier ein eigenes Stillstehen oder ein Rückwärtsfahren des anderen Fahrzeugs, beweisen. Ein lediglich denkmöglicher, theoretischer Geschehensablauf, ohne dass sich im konkreten Fall Anhaltspunkte für die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs ergeben würden, reicht nicht aus. Die ernsthafte Möglichkeit eines Rückwärtsfahrens besteht nicht bereits deshalb, weil mit einem Kraftfahrzeug konstruktionsbedingt auch rückwärts gefahren werden kann. Die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes besteht auch noch nicht, wenn es theoretisch möglich ist, dass beide Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision in einer gegenläufigen Bewegung gewesen sein können.

KG Berlin v. 02.10.2003:
Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den (von hinten) Auffahrenden, der grundsätzlich allein und in voller Höhe haftet. Der Anscheinsbeweis spricht gegen ihn, weil der Auffahrende in diesen Fällen entweder zu schnell, mit unzureichendem Sicherheitsabstand oder/und unaufmerksam gefahren ist. Ein typischer Auffahrunfall wird regelmäßig dadurch verursacht, dass ein nachfolgendes Fahrzeug auf die gesamte Heckpartie eines im gleichen Fahrstreifen vorausfahrenden oder haltenden Fahrzeuges auffährt; entsprechendes gilt bei bloßer Teilüberdeckung der Stoßflächen der im gleichgerichteten Verkehr befindlichen Fahrzeuge, weil sich hintereinanderfahrende Fahrzeuge auf der überschießenden Breite eines Fahrstreifens unterschiedlich einrichten.

OLG Düsseldorf v. 10.11.2003:
Um den Anscheinsbeweis für ein Auffahrverschulden zu erschüttern, genügt nicht der Nachweis, dass der Vorausfahrende seinen PKW in der Anfahrtsphase grundlos abgebremst hat.

OLG Frankfurt am Main v. 02.03.2006:
Der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Auffahrenden beruht auf dem Erfahrungssatz, dass das Auffahren im gleichgerichteten Verkehr regelmäßig auf mangelnde Aufmerksamkeit, überhöhte Geschwindigkeit oder einen ungenügenden Sicherheitsabstand des Auffahrenden zurückzuführen ist. Voraussetzung für seine Anwendung ist deshalb das Vorliegen einer Standardsituation, in der eine allenfalls denkbare andere Ursache so unrealistisch erscheint, dass sie außer Betracht bleiben kann. Die für die Anwendung des für ein Verschulden des Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises erforderliche Typizität der Unfallkonstellation fehlt, wenn ein Umstand vorliegt, der als Ursache aus dem Verantwortungsbereich des Vordermanns in Betracht kommt, etwa ein dem Auffahren unmittelbar vorausgegangener Spurwechsel des Vordermanns oder dessen dem Auffahren vorangegangenes grundloses Abbremsen. Ist ein solcher atypischer Umstand unstreitig, fehlt die Typizität der Unfallkonstellation und damit die Voraussetzung für eine Anwendung des Anscheinsbeweises.

OLG Karlsruhe v. 24.06.2008:
Steht fest, dass ein Kfz-Führer auf der Autobahn unmittelbar vor dem Auffahrunfall auf den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist, kommt der Anscheinsbeweis dafür, dass der auffahrende Hintermann den Unfall schuldhaft verursacht hat, nicht zur Anwendung. Hat der den Spurwechsel durchführende Kfz-Führer sich mit einem Abstand von nur 5 m zum Auffahrenden in dessen Sicherheitsabstand hineingedrängelt, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Fahrstreifenwechsler.

KG Berlin v. 03.07.2008:
Gegen den nachfolgenden Fahrer spricht der Beweis des ersten Anscheins nur dann, wenn es sich um einen „typischen“ Auffahrunfall mit Teilüberdeckung vom Heck und Front handelt. Ist erwiesen oder sprechen erwiesene Tatsachen dafür, dass der Vorausfahrende erst kurz vor dem Unfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt hat, wofür insbesondere auch eine Schrägstellung des vorausfahrenden Fahrzeugs und/oder eine „Eckkollision“ spricht, greift ein Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden nicht ein.

KG Berlin v. 31.08.2009:
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden greift nicht ein, wenn gegen die hintere Seite des Vorausfahrenden gestoßen wird; erforderlich ist vielmehr ein Anstoß gegen dass Heck, wobei bei den Anstoßstellen der Fahrzeuge wenigstens eine Teilüberdeckung von Heck und Front vorliegen muss.

OLG Düsseldorf v. 19.01.2010:
Gegen denjenigen, der auf den Vorausfahrenden auffährt, spricht in der Regel der Beweis des ersten Anscheins. Ein für ein Auffahrverschulden sprechender typischer Geschehensablauf lässt sich jedoch nicht feststellen, wenn der Kollision ein Fahrstreifenwechsel vorausgegangen ist. In diesem Fall muss der Fahrstreifenwechsler beweisen, dass es dem Auffahrenden möglich war, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen bzw. einzuhalten.




OLG Hamm v. 15.04.2010:
Bleibt bei strittiger Schuldfrage unbewiesen, ob für einen Unfall ein Auffahren des hinteren Fahrzeugs oder ein Rückwärtsfahren bzw. Rückwärtsrollen des vorderen Fahrzeugs ursächlich war, findet der Anscheinsbeweis keine Anwendung und es findet Schadensteilung statt.

KG Berlin v. 17.06.2010:
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden setzt einen "typischen" Auffahrunfall voraus, der nur dann vorliegt, wenn ein nachfolgendes Kfz auf das Heck eines in demselben Fahrstreifen befindlichen Kfz auffährt, wobei eine bloße Teilüberdeckung der Stoßflächen ausreicht, beide Fahrzeuge aber etwa parallele Längsachsen haben müssen.

OLG Brandenburg v. 01.07.2010:
Bei einem Kettenauffahrunfall greift der sonst bei Auffahrunfällen regelmäßig geltende Anscheinsbeweis zu Lasten des Auffahrenden nicht ein, da es in einer solchen Konstellation üblicherweise an einem typischen Geschehensablauf fehlt, insbesondere es zum Auffahren infolge einer überraschenden Bremswegverkürzung durch den Erstunfall gekommen sein kann. Steht aber fest, dass ein Fahrzeug auf das letzte Fahrzeug einer langsam fahrenden Fahrzeugkolonne aufgefahren ist, bevor dieses auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgeschoben wurde, so haftet der Halter des auffahrenden Fahrzeugs allein. Hinter seinem Fehlverhalten tritt die Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs vollständig zurück.

BGH v. 30.11.2010:
Steht lediglich fest, dass sich ein Auffahrunfall in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit einem Überholvorgang kurz vor der Ausfahrt einer Autobahn ereignet hat, an der beide Verkehrsteilnehmer die Autobahn verlassen haben, liegt eine Verkehrssituation vor, die sich von derjenigen, die den Schluss auf ein Verschulden des Auffahrenden zulässt, grundlegend unterscheidet. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises sind in einem derartigen Fall nicht anwendbar. Mangels Verschuldensvorwurfs gegen einen der Unfallbeteiligten kann in einem solchen Fall Schadensteilung geboten sein.


KG Berlin v. 02.05.2011:
Bei einem Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden des Auffahrenden. Dies gilt aber nur dann, wenn ein typischer Geschehensablauf feststeht. Bei einem Auffahrunfall ist ein solcher nur dann anzunehmen, wenn feststeht, dass beide Fahrzeuge so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich die Fahrzeugführer auf die jeweiligen Fahrbewegungen hätten einstellen können. Bleibt der Hergang eines Unfalls letztlich ungeklärt, weil es sowohl Anzeichen für einen Auffahrunfall als auch dafür gibt, dass ein Fahrzeug oder beide Fahrzeuge kurz zuvor den Fahrstreifen gewechselt haben, ist der Schaden hälftig zu teilen.

BGH v. 13.12.2011:
Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist.

LG Wuppertal v. 01.03.2012:
Es liegt ein typischer Auffahrunfall mit dem sich daraus ergebenden Anscheinsbeweis für ein unfallursächliches Verschulden des Auffahrenden und einer ihn treffenden höheren Haftungsquote als den Vorausfahrenden vor, wenn das nachfolgende Fahrzeug auf die gesamte Heckpartie eines in dem selben Fahrstreifen vorausfahrenden oder haltenden Fahrzeugs auffährt. Entsprechendes gilt bei bloßer Teilüberdeckung der Stoßflächen der im gleichgerichteten Verkehr befindlichen Fahrzeuge, weil sich hintereinander fahrende Fahrzeuge auf der überschießenden Breite eines Fahrstreifens unterschiedlich einrichten. Hingegen findet der Anscheinsbeweis nicht bei Abbiegeunfällen Anwendung, wenn einer der Kfz-Führer dabei eine durchgezogene Linie überfährt.

OLG Hamm v. 03.03.2012:
Wenn bei der Entstehung eines Auffahrunfalls mehrere Möglichkeiten offen bleiben - hier unachtsamer Fahrspurwechsel des Beklagten zu 1) einerseits oder Unaufmerksamkeit des Klägers andererseits - gibt es keinen Anscheinsbeweis für eine dieser Möglichkeiten. Insbesondere genügt nicht, dass eine Möglichkeit wahrscheinlicher ist als die andere.

LG Köln v. 28.08.2013:
Im Falle einer klassischen Auffahrsituation spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende unaufmerksam gewesen ist oder den erforderlichen Abstand nach § 4 Abs. 1 StVO nicht eingehalten und damit den Unfall allein verursacht hat. Die bloße Möglichkeit, dass der Unfallgegner zu spät gebremst haben könnte, genügt bei einem Auffahrunfall für die Erschütterung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden nicht. Greift der zu Lasten des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis durch, tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallgegners dahinter vollständig zurück.

OLG München v. 25.10.2013:
Eine bloße Teilüberdeckung der Fahrzeugschäden an Heck und Front lässt nicht auf einen atypischen Geschehensablauf schließen (Anschluss KG Berlin, 2. Oktober 2003, 12 U 53/02, VRS 106, 23 (2004)). Jedoch stellt en vorheriger Spurwechsel des Vordermanns schon die Typizität in Frage (Anschluss BGH, 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84). Bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn muss der Vordermann, der ein Auffahrverschulden nach Anscheinsbeweisregeln geltend macht, vortragen und notfalls beweisen, dass er so lange im gleichgerichteten Verkehr spurgleich vorausgefahren ist, dass der Hintermann den nötigen Sicherheitsabstand einhalten konnte.

KG Berlin v. 20.11.2013:
Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende entweder mit zu geringem Abstand, zu schnell oder zu unaufmerksam fuhr. Voraussetzung ist lediglich eine typische Gestaltung, also zumindest eine Teilüberdeckung von Front und Heck. Es ist im Regelfall nicht erforderlich, dass der Vorausfahrende darlegt, die Fahrzeuge seien schon längere Zeit hintereinander gefahren.

OLG München v. 14.02.2014:
Bei einem typischen Auffahrunfall haftet der Auffahrende grundsätzlich allein und in voller Höhe. Im Allgemeinen spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen denjenigen, der auf ein vor ihm (vorwärts) fahrendes oder stehendes Fahrzeug fährt, weil der Auffahrende in diesen Fällen entweder zu schnell, mit unzureichendem Sicherheitsabstand oder unaufmerksam gefahren ist. Der Auffahrende kann den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern oder ausräumen, wenn er Umstände darlegt und beweist (nicht etwa nur behauptet), die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen atypischen Geschehensablaufs ergeben. Erschüttert bzw. ausgeräumt ist der Anscheinsbeweis u.a. dann, wenn der Auffahrende nachweist, dass der Vorausfahrende unter Verstoß gegen § 4 I 2 StVO ohne zwingenden Grund plötzlich stark gebremst hat. Jedenfalls mit einem „ruckartigen“ Stehenbleiben muss der Hintermann nicht ohne weiteres rechnen, etwa einem Abwürgen des Motors mit sofortigem Stillstand des Fahrzeugs.

OLG Hamm v. 27.10.2014:
Ein vorheriger Spurwechsel des Vordermanns stellt hingegen die Typizität in Frage (vgl. BGH, 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10). Der Anscheinsbeweis ist daher entkräftet, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist und sich die Kollision beider Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat.- Ereignet sich ein Auffahrunfall in einem unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Fahrstreifenwechsler.

AG Wuppertal v. 26.01.2015:
Besteht an der Unfallstelle eine Steigung in Fahrtrichtung, kommt ein Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes Auffahren des Hintermannes nicht in Betracht bzw. ist zumindest entkräftet.



OLG Koblenz v. 16.03.2015:
Ein Auffahrunfall, dem ein Schleudervorgang beider unfallbeteiligten Fahrzeuge auf einer Ölspur vorausgeht, kann unter keinem Gesichtspunkt als typischer Unfallverlauf i. S. der Anscheinsbeweis-Rechtsprechung angesehen werden. Haftungsverteilung 50:50 kann dann angemessen sein.

AG Hamburg-St. Georg v. 16.07.2015:
Bleibt unklar, ob die Kollision durch eine Rückwärtsfahrt des Vorausfahrenden oder aber durch zu spätes Bremsen des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht wurde, so ist nach den üblichen Beweislastgrundsätzen zu Lasten des Hintermanns von einem von ihm allein verschuldeten Auffahrunfall auszugehen.

AG Neuss v. 19.10.2015:
Ist die Fahrbahn an der Unfallstelle in Fahrtrichtung ansteigend, so kommt ein Beweis des ersten Anscheins für ein schuldhaftes Auffahren des Hintermannes nicht in Betracht bzw. ist zumindest entkräftet.

BGH v. 13.12.2016:
  1.  Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 7).

  2.  Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die - wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs - als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 7).

  3.  Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt - in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens - allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

KG Berlin v. 22.12.2021:
  1.  Übertragung der auf Auffahrunfälle auf Autobahnen bezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Fortführung BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10 und BGH, Urteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16) auf den mehrspurigen innerstädtischen Verkehr.

  2.  Kein Anscheinsbeweis auch bei feststehendem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eines Fahrspurwechsels mit dem anschließenden Auffahrunfall. - Zurechnungszusammenhang eines Verstoßes gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 oder S. 7 StVO bei einem Auffahrunfall.

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Tiefgaragenrampe:


OLG München v. 09.08.2012:
Rollt auf einer Tiefgaragenrampe mit einer Neigung von 15 Grad ein Fahrzeug beim Anfahren zurück und ist sachverständigerseits festgestellt, dass ein Zurück-Rollen auf einer solchen Rampe üblicherweise einen halben Meter nicht überschreitet, so ist der gegen den Führer des auf das zurück rollende Fahrzeug auffahrenden Kfz sprechende Anscheinsbeweis nicht widerlegt.

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