Das Verkehrslexikon

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Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern

Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern




Gliederung:


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-   Allgemeines
-   Rennradfahrer / Radrennsport
-   Bahnschienen / Gleisanlagen
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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Verkehrssicherung

Verkehrssicherungspflicht allgemein

Stichwörter zum Thema Verkehrszivilrecht

Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Fußgängern

Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Motorradfahrern

Motorradunfälle allgemein

Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern

Radfahrerunfälle allgemein

Sturz eines Zweiradfahrers ohne Kollisionsberührung

Astbruch und Verkehrssicherung

Straßenverhältnisse und Verkehrssicherung

Winterdienst - Räum- und Streupflicht

Amtshaftung im Verkehrsrecht

Fahrzeugbeschädigung durch umfallendes Verkehrsschild - Verkehrssicherung für Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen

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Allgemeines:


OLG Hamm v. 09.11.2001:
Die Verkehrssicherungspflicht ist schuldhaft verletzt, wenn nachts ein unbeleuchteter, schwer wahrnehmbarer Sperrpfosten auf einen Fuß- und Radweg neben der Fahrbahn aufgestellt wird. Auch für Radfahrer gilt das Sichtfahrgebot. Die Ausrüstung von Fahrrädern mit nur schwacher Beleuchtung ändert an der gebotenen Eigensorgfalt nichts (hier: 1/3 Mitverschulden).

BGH v. 09.10.2003:
Einem Radfahrer, der auf einem innerhalb der geschlossenen Ortschaft gelegenen gemeinsamen Fuß- und Radweg (Zeichen 240 der StVO) infolge Glatteises zu Fall kommt, können Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung der winterlichen Räum- und Streupflicht gegen die sicherungspflichtige Gemeinde auch dann zustehen, wenn dieser Weg nur deshalb geräumt oder gestreut werden muß, weil es sich auch und gerade um einen Gehweg handelt. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß sich Inhalt und Umfang der Räum- und Streupflicht, sofern sich - wie hier - der Unfallort nicht an einer verkehrswichtigen und gefährlichen Stelle befindet, nur nach den Belangen der Fußgänger auszurichten hat.

OLG Hamm v. 14.12.2004:
Kommt ein 8jähriges Kind in einer Grundstücksausfahrt deshalb zu Schaden, weil es mit dem Vorderrad seines Fahrrades in die Rippen eines dortigen Gullydeckels gerät, kann auch der Grundstücksmieter als Verkehrssicherungspflichtiger haftbar sein. Ein unmittelbar neben dem öffentlichen Gehweg in dem privaten Grundstücksbereich der Einfahrt eingelassener Gullydeckel mit parallel zur Geh-/Fahrtrichtung verlaufenden Rippen in mehr als Fahrradreifen breitem Abstand voneinander stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar.

LG Bremen v. 22.06.2005:
Wird durch Straßenumbaumaßnahmen durch die veränderte Straßenführung eine erhöhte Gefahr für Radfahrer herbeigeführt, dann haftet der Träger der Straßenbaulast aus Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht für Schäden, die ein Radfahrer infolge eines Sturzes erleidet.

OLG Saarbrücken v. 17.07.2007:
Der Träger der Straßenbaulast begeht keine Verkehrssicherungspflichtverletzung, wenn er an einem Fahrradweg ein unbefestigtes Bankett mit einer Abbruchkante von 15 bis 20 cm belässt. Die Höhe der Abbruchkante birgt keine größeren Gefahren, als diejenigen, die mit dem Überfahren einer Bordsteinkante verbunden sind. Zudem geht ein Fahrradfahrer bewusst das Risiko ein, wegen einer unvorhersehbaren Ursache den Rand übertreten zu müssen und kann sein Fahren so einrichten, dass er an möglichen Unfallstellen den Belag nicht verlässt.

OLG Hamm v. 03.02.2009:
Graue Metallketten zwischen mehreren Metallpfosten zur Sperrung einer Fußgängerzone einer Innenstadt stellen bei mangelhafter Erkennbarkeit eine erhebliche und deshalb abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar; sie sind dann mit der Pflicht zur Verkehrssicherung nicht vereinbar. Kommt ein Radfahrer, der die Fußgängerzone mitternächtlich zulässig befährt, über eine solche Kette zu Fall, weil sie frühestens auf eine Entfernung von 10 m wahrzunehmen war, kann die volle Haftung der Kommune für den entstandenen Schaden in Betracht kommen, wenn allenfalls ein geringes Mitverschulden zu diskutieren wäre.

OLG München v. 22.04.2009:
Ein Zweiradfahrer muss seine Fahrweise an dem auf fahrphysikalischen Gegebenheiten beruhenden besonderen Gefährdungspotential seines Fahrzeugs ausrichten. Ein Radfahrer hat folglich wegen seiner besonderen Gefährdung allen Anlass zu vorausschauender, ausgesprochen vorsichtiger und langsamer Fahrweise. Unter dieser Prämisse kann und muss vom Antragsteller verlangt werden, dass er bei hellem Tageslicht eine offensichtliche großflächige Ausbesserungsstelle einschließlich einer Vertiefung wahrnimmt und durch entsprechend vorsichtiges Durchfahren meistert oder gegebenenfalls vorher bremst und absteigt, wenn er das Ausmaß und die Beschaffenheit der Vertiefung nicht zuverlässig einzuschätzen vermag.




OLG Brandenburg v. 15.06.2010:
Maßgeblich für die Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht ist, ob der Zustand der Straße vorhersehbar geeignet war, die voraussichtlichen Straßennutzer zu schädigen. Ein Loch mit 5 cm Tiefe, kraterförmiger Gestalt und einem Durchmesser von etwa 15 cm am Boden und etwa 30 bis 40 cm am oberen Rand ist geeignet, das Rad eines Fahrrades zu blockieren, zumal wenn es in einem Abstand von etwa 50 cm zum rechten Fahrbahnrand und damit in der typischen Fahrtlinie von Radfahrern liegt.

OLG Köln v. 23.01.2012:
Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und gegebenenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag.

OLG München v. 25.01.2012:
In einem verkehrsberuhigten Bereich mit verengter Straßenführung stellen ein Warnhinweis mit der Aufforderung an Radfahrer, ganz rechts zu fahren, sowie das akustische und optische Warnsystem der versenkbaren Poller insgesamt ausreichende Vorkehrungen dar, um einen Zweiradfahrer auf die Polleranlage hinzuweisen und bei Betrieb zu warnen, so dass der Verkehrssicherungspflicht Genüge getan ist.

LG Mönchengladbach v. 26.03.2012:
Den Betreiber einer Straßenbaustelle trifft keine Haftung wegen Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht, wenn ein Radfahrer sich über ein Einfahrtverbot hinwegsetzt und in eine quer über die Fahrbahn ausgehobene Baugrube stürzt, die zusätzlich durch eine große Absperrbarelle gesichert ist.

OLG München v. 14.03.2013:
Stürzt ein Radfahrer im Bereich einer mit Regenwasser voll gelaufenen muldenartigen Vertiefung im Einfahrtsbereich eines Parkplatzes mit abgesenkter Bordsteinkante, muss er sich ein Mitverschulden von 50% anrechnen lassen, da ein Durchfahren der Pfütze, ohne die genaue Tiefe und die Höhe der Anschlagskante abzuschätzen, den Vorwurf begründet, auf die Gefahrenstelle nicht ausreichend umsichtig reagiert zu haben.

OLG Naumburg v. 28.06.2013:
Ist nicht auszuschließen, dass ein Hindernis - hier: Aufwölbung auf einem Radweg - zwar in der Annäherung erkennbar ist, aber so aussieht, als sei es für einen geübten Radfahrer problemlos zu überfahren, ohne dass dies so ist, so ist dem hierzu angebotenen Sachverständigenbeweis nachzugehen.

OLG Stuttgart v. 10.07.2013:
Im Rahmen der Beurteilung der rechtzeitigen Erkennbarkeit einer in Rissen und/oder Unebenheiten der Fahrbahn einer Straße bestehenden Gefahrenstelle für einen Radfahrer ist zu berücksichtigen, dass dieser grundsätzlich das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO) und das Gebot, die Geschwindigkeit den (besonderen) Sichtverhältnissen anzupassen, einzuhalten hat.

OLG Hamm v. 23.07.2014:
Aus der in § 9 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW geregelten Verpflichtung des Straßenbaulastträgers, die Belange von Menschen mit Behinderung und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, möglichst weitgehende Barrierefreiheit zu erreichen, folgt nicht, dass jede Straße, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung auch für behinderte Personen sicher zu befahren sein muss. Auch unter Berücksichtigung dieser Vorschrift bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, was ein durchschnittlicher Benutzer der betreffenden Verkehrsfläche vernünftiger Weise an Sicherheit erwarten darf.

OLG Hamm v. 29.08.2014:
Das Vorhandensein einer 5 cm hohen, in Fahrtrichtung 45° schräg verlaufenden Asphaltkante auf einem für den Radfahrverkehr freigegebenen unbeleuchteten Uferweg stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar. - Die Nichtbeachtung des Sichtfahrgebots durch den Radfahrer rechtfertigt in einem solchen Fall einen Eigenverschuldens- bzw. Mitverschuldensanteil von 50%.

LG Aachen v. 16.09.2014:
Dem Straßenbaulastträger kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorgeworfen werden, wenn der Fahrbahnaufriss eines Radweges wegen seiner Breite und der durchkommenden Pflanzen neben einem Baum für einen aufmerksamen Radfahrer ohne Weiteres auch schon auf einige Entfernung hin zu erkennen ist. Bei einem Baums in unmittelbarer Nähe des Radwegs muss ein Raddfahrer mit wurzelbedingten Bodenanhebungen und -verwerfungen im Bereich des Radwegs rechnen und seine Fahrweise entsprechend einrichten.

OLG Koblenz v. 16.03.2015:
Auf einem als "...-Tour" für Radfahrer gekennzeichneten Wirtschaftsweg kann ein Radfahrer nicht mit einer ebenen, schadlosen und schlaglochfreien Fahrbahn-Oberfläche rechnen. Er darf allein unter diesem Gesichtspunkt nicht davon ausgehen, dass er die (spätere) Unfallstelle völlig gefahrlos passieren kann. Vor solchen erkennbaren offensichtlichen Gefahren muss nicht gewarnt werden und die Unterlassung einer solchen Warnung stellt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar.

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Rennradfahrer / Radrennsport:


LG Köln v. 02.02.1999:
Benutzt ein Rennradfahrer einen Radweg nicht, obwohl er nach § 2 Abs. 4 StVO dazu verpflichtet war, dann müßte er sich selbst bei einem verkehrswidrigen Zustand der Fahrbahn und einer schuldhaften Pflichtverletzung ein so erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen, daß das unterstellte Verschulden des Verkehrssicherungspflichtigen dahinter zurückzutreten hätte. Auch eine Rennsportlizenz ermächtigt nicht, im normalen Straßenverkehr den vorhandenen Radweg zu ignorieren und mit erheblich höherer Geschwindigkeit die Fahrbahn zu benutzen.

OLG Koblenz v. 08.02.2012:
Befindet sich zwischen den Abdeckplatten eines quer zur Fahrtrichtung angeordneten Kabelschachtes vor einer Werkseinfahrt ein 2,5 cm breiter Spalt, in den die schmale Bereifung eines Rennrades einsinken kann, liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angesichts der konkreten Zweckbestimmung und des gewöhnlich zu erwartenden Verkehrs nicht vor (Abgrenzung zu OLG Hamm, 14. Dezember 2004, 9 U 32/04).

OLG Köln v. 02.07.2015:
Von dem am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrer eines Rennrades ist eine gesteigerte Aufmerksamkeit und ein besonders vorsichtiges Verhalten zu verlangen, da er weiß bzw. wissen muss, dass er infolge der dünnen Reifenstärke seines Fahrrades durch Unebenheiten und Schlaglöcher besonders gefährdet ist.

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Bahnschienen / Gleisanlagen:


OLG Saarbrücken v. 23.01.2014:
Zweiradfahrern sind die sich aus Gleisen ergebenden Gefahren, nämlich geringere Haftfähigkeit der Reifen und hierdurch bedingte Rutschgefahr sowie die Gefahr, mit den Reifen in die Schienenspur zu geraten und der damit verbundene Verlust der Lenkfähigkeit, bekannt oder sie müssen ihnen bekannt sein. Daher haben Zweiradfahrer diese Gefahren hinzunehmen und sich auf diese einzustellen. Das gilt insbesondere dann, wenn auf die Möglichkeit einer Handlungsalternative - nämlich das Umfahren der Gefahrenstelle - durch eine vor der Unfallstelle vorhandene Beschilderung hingewiesen wird.

OLG Naumburg v. 20.10.2014:
Auf die für einen Radfahrer mit dem Überqueren eines Bahnübergangs verbundenen Gefahren muss der verkehrssicherungspflichtige Bahnnetzbetreiber selbst dann nicht hinweisen, wenn die Schienen nach dem Verlauf des querenden Weges in einem relativ spitzen Winkel zu passieren sind.

OLG Hamm v. 09.06.2016:
Überquert ein Radfahrer Bahnschienen, hat er sich jedenfalls dann, wenn die Gleisanlage sich vom übrigen Straßenbelag deutlich abhebt und der Schienenverlauf gut sichtbar ist, auf die damit verbundene Gefahr, mit den Reifen in die Schienenspur zu geraten und die Lenkfähigkeit zu verlieren, einzustellen. - Dies gilt insbesondere im Bereich eines Industriedenkmals (hier: ehemaliges Zechengelände), wo auf die sich aus dem Charakter der Anlage ergebenden Besonderheit, den Besuchern einen möglichst originalgetreuen Zustand nahezubringen, Bedacht genommen werden muss.

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Mountainbikes:


BGH v. 23.04.2020:
Ein Mountain-Bike-Fahrer ist nicht gehalten, seine Geschwindigkeit so zu wählen, dass er vor den quer über den Weg gespannten Drähten gefahrlos anhalten konnte. Der Sichtbereich des Geschädigten reichte bei Annährung an die Drahtsperre deutlich über diese hinaus. Ein solches Hindernis ist eine völlig atypische Sperrvorrichtung, die leicht zu übersehen ist

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