Das Verkehrslexikon

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Auffahrunfälle auf der Autobahn - Auffahren auf BAB - Sichtfahrgebot - Dunkelheit - Warnblinkanlage - Ausweichen auf Grünstreifen

Auffahrunfälle auf der Autobahn




Gliederung:


- Einleitung
-   Weiterführende Links
- Allgemeines
- Langsamfahren / Abbremsen
- Auffahren bei Befahren der BAB-Ausfahrt
- Auffahren bei Fahrstreifenwechsel auf Überholspur
- Auffahren bei Fahrstreifenwechsel von links nach rechts
- Auffahren wegen Fahrstreifenwechsels zum Ermöglichen des Einfahrens
- Liegenbleiben von Fahrzeugen / Hindernisse
- Auffahren auf Stau-Ende



Einleitung:


Auffahrunfälle - insbesondere auch Kettenauffahrunfälle auf der Autobahn sind relativ häufig; dies ist sicher auf die erhöhten Anforderungen an das Reaktionsvermögen bei den dort üblichen Geschwindigkeiten zurück zu führen.


Andererseits sind auch ständige Verstöße gegen das Sichtfahrgebot bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit sowie die Fehleinschätzung der Geschwindigkeiten der anderen Fahrzeuge, Aufmerksamkeitslücken infolge von Ermüdung und falsches Verhalten beim Ein- und Ausfahren, Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot bei niedrigen Geschwindigkeiten, unachtsame Fahrstreifenwechsel häufige Ursachen für daraus resultierende Auffahrunfälle.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Autobahn

Beschleunigungsstreifen

Richtgeschwindigkeit

Sichtfahrgebot

Verzögerungsstreifen

Seitenstreifen - Standspur

Liegenbleiben von Fahrzeugen

Auffahrunfälle auf der Autobahn

Kettenunfall - doppelter Auffahrunfall - Massenkaramboulagen

Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle

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Allgemeines:


BGH v. 09.12.1986:
Auf Autobahnen muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Kfz nach § 4 Abs.1 S.1 StVO in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich gebremst wird. Jedoch ist nicht mit einem "ruckartigen" Stehenbleiben zu rechnen; vielmehr kann der nachfolgende Fahrer, wenn keine besonderen Umstände dem entgegenstehen, den vollen Weg einer Notbremsung des Vorausfahrenden bei Bemessung seines Abstands einkalkulieren. Der nachfolgende Kraftfahrer ist nach § 4 Abs.1 S.1 StVO nicht verpflichtet, generell den Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug so zu wählen, dass er rechtzeitig vor einem durch den Vorausfahrenden zunächst verdeckten Hindernis anhalten kann, wenn dieser - ohne zu bremsen - unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur wechselt.

BGH v. 23.06.1987:
Der Kraftfahrer hat gemäß StVO §§ 1, 3 Abs 1 S 3 seine Fahrweise so einzurichten, dass er auch in der Dunkelheit vor auf der Straße liegengebliebenen Kraftfahrzeugen, mögen sie auch unbeleuchtet und zudem - wie ein Panzer - mit einem Tarnanstrich versehen sein, rechtzeitig anhalten kann.

BGH v. 18.10.1988:
Zum Umfang der Darlegungs- und Beweislast, wenn sich bei einem Auffahrunfall der Auffahrende zur Erschütterung des für sein Verschulden sprechenden ersten Anscheins darauf beruft, daß ihm die Sicht auf das Hindernis durch ein im letzten Augenblick auf die Nachbarfahrspur ausgewichenes anderes Fahrzeug versperrt gewesen sei (im Anschluß an BGH, 1986-12-09, VI ZR 138/85, VersR 1987, 358).

OLG Köln v. 28.06.1991:
Schadensteilung bei Auffahren in BAB-Baustelle trotz Fahrstreifenwechsels (Auffahrender zu schnell und teilweise unaufmerksam)

OLG Köln v. 24.07.1991:
Auffahren auf der Autobahn auf schleuderndes Fahrzeug - Schadensteilung

OLG Karlsruhe v. 24.06.2008:
Steht fest, dass ein Kfz-Führer auf der Autobahn unmittelbar vor dem Auffahrunfall auf den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist, kommt der Anscheinsbeweis dafür, dass der auffahrende Hintermann den Unfall schuldhaft verursacht hat, nicht zur Anwendung. Hat der den Spurwechsel durchführende Kfz-Führer sich mit einem Abstand von nur 5 m zum Auffahrenden in dessen Sicherheitsabstand hineingedrängelt, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Fahrstreifenwechsler.

OLG Brandenburg v. 17.07.2008:
Ein Fahrer eines Klein-Lkw, dessen Fahrzeug auf der Überholspur der Autobahn fahrunfähig wird, muss wegen der großen Gefahr, die gerade durch das Blockieren der Überholspur besteht, möglichst auf den Grünstreifen ausweichen. Ein Abstand von 50 cm zur Mittelleitplanke reicht, um dem Fahrer das Aussteigen zu ermöglichen. Fährt ein Motorradfahrer unter Verletzung des Sichtfahrgebots sodann auf, hat er einen Anspruch auf 60% des ihm entstandenen Schadens.




OLG Saarbrücken v. 19.05.2009:
Bei Auffahrunfällen auf Bundesautobahnen setzt der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis nicht den Nachweis voraus, dass der Auffahrende „eine gewisse Zeit“ hinter dem Vordermann auf derselben Fahrspur her gefahren ist. Bei einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden ist der Anscheinsbeweis erst dann entkräftet, wenn der Fahrspurwechsel erwiesenermaßen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auffahrunfall erfolgte.

LG Coburg v. 23.09.2009:
Bleibt unaufgeklärt, ob ein Auffahrunfall auf der Autobahn durch einen Fahrstreifenwechsel herbeigeführt wurde, oder ob das vordere Fahrzeug sich schon längere Zeit auf dem linken Fahrstreifen befand, kann eine hälftige Teilung des Schadens angemessen sein.

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Langsamfahren / Abbremsen:


OLG Celle v. 07.11.1974:
Mithaftung von 1/3 wegen zu starker Geschwindigkeitsverminderung eines Lkw und anschließendem Auffahrunfall eines unachtsamen Nachfolgenden.

LG Köln v. 01.07.2004:
Keine Mithaftung eines ladungsbedingt auf 40 km/h verlangsamenden Lkw bei Auffahren eines nachfolgenden Lkw.

AG Köln v. 01.07.2010:
Ein Mitverschulden des Bevorrechtigten durch ein "Vom Gas gehen" und "langsamer werden" im dichten Verkehr auf einer Autobahn, das zur Irreführung über die Möglichkeit eines Spurwechsels führen kann, ist allenfalls mit 50% zu berücksichtigen.

OLG Brandenburg v. 14.07.2016:
Fährt ein mit einem Mähwerk ausgestatteter Lkw Unimog auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn auf ein extrem langsam fahrendes Kfz auf, ohne dass feststeht, dass kurz zuvor ein Fahrstreifenwechsel des Kfz stattgefunden hat, und kann keine Partei die Unabwendbarkeit des Unfalls beweisen, ist hälftige Schadensteilung angemessen.

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Auffahren bei Befahren der BAB-Ausfahrt:


OLG Düsseldorf v. 29.09.2005:
Fährt der Kfz-Mieter mit dem gemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit bei Dunkelheit und Nässe in eine Autobahnausfahrt ein, an deren Ende er mit einem Kreuzungsbereich rechnen muss und kommt es hierbei zu einem Auffahrunfall, stellt dies einen besonders schwerwiegenden, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigenden Sorgfaltsverstoß dar.

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Auffahren bei Fahrstreifenwechsel auf Überholspur:


Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen

Der Anscheinsbeweis spricht gegen den Auffahrenden - aber nicht immer.

OLG Naumburg v. 06.06.2008:
Wechselt ein Verkehrsteilnehmer ohne sorgfältige Rückschau auf nachfolgende Fahrzeuge den Fahrstreifen und gefährdet damit nachfolgende Verkehrsteilnehmer und ereignet sich in einem engen zeitlichen Zusammenhang ein Auffahrunfall, so ist dies auf das riskante Fahrmanöver des Fahrbahnwechslers zurück zu führen. Der Anscheinsbeweis, der grundsätzlich gegen den auffahrenden Hintermann spricht, wird damit ausgeräumt.

OLG Stuttgart v. 11.11.2009:
Mithaftung (hier 20 %) des von hinten auffahrenden Fahrzeugs nach sorgfaltswidrigem Wechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs auf die Überholspur der Autobahn, wenn Unabwendbarkeit nicht nachweisbar ist und das auffahrende Fahrzeug bei Dunkelheit die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h deutlich überschreitet.

LG Coburg v. 23.09.2009:
Bleibt ungeklärt, ob für einen Unfall auf der Autobahn ein Fahrspurwechsel ursächlich war oder ob es sich um einen Auffahrunfall handelt, weil für keinen der Beteiligten Fahrzeugführer die Grundsätze des Anscheinsbeweises zum Zuge kommen, dann ist der Schaden hälftig zu teilen.

OLG Rostock v. 18.11.2011:
Steht nach der Beweisaufnahme lediglich fest, dass sich der Auffahrunfall in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel ereignet hat und der auffahrende Pkw eine Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 160 km/h hatte, so haftet der Auffahrende mit einer Quote von 60%, wenn nicht bewiesen ist, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h unvermeidbar gewesen wäre.

BGH v. 13.12.2011:
Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist.

OLG Oldenburg v. 21.03.2012:
Zur Haftungsquote nach einem Verkehrsunfall auf der Autobahn im Zusammenhang mit einem Überholvorgang des voranfahrenden Fahrzeugs, wenn weder ein Verschulden des Fahrers dieses Fahrzeugs noch ein solches des Fahrers des unter deutlicher Überschreitung der Richtgeschwindigkeit (hier: 200 km/h) nachfolgenden und sodann auf das vorausfahrende Fahrzeug auffahrenden PKW feststellbar ist, und zur Bedeutung des Anscheinsbeweises bei dieser Fallgestaltung.

OLG Koblenz v. 03.02.2014:
Ist nicht aufklärbar, ob ein Auffahrunfall auf der Autobahn auf einen überraschenden Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden oder auf eine verspätete Reaktion und einen nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist, so bleibt auch eine hohe Blutalkoholkonzentration (hier 1,9 Promille) des Auffahrenden außer Betracht, da nicht feststeht, dass sie sich unfallursächlich ausgewirkt hat. In diesem Fall ist eine hälftige Schadensteilung vorzunehmen.

OLG Köln v. 22.04.2015:
Steht eine Kollision - vorliegend aufgrund des Ausscherens eines LKW im Baustellenbereich einer Autobahn von der rechten auf die linke Fahrspur und des Drängens des klägerischen Fahrzeugs gegen die den linken Fahrstreifen begrenzende Schutzeinrichtung - in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel, spricht der Anscheinsbeweis für eine Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten.

OLG Schleswig v. 22.12.2015:
Kommt es unmittelbar im Anschluss an einen Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn zur Kollision mit dem nachfolgenden Fahrzeug, tritt die Betriebsgefahr regelmäßig zurück. - Das Zurücktreten eines Verursachungsbeitrags setzt in der Regel eine nicht erheblich ins Gewicht fallende mitursächliche Betriebsgefahr auf der einen Seite und ein grobes Verschulden auf der anderen Seite voraus.

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Auffahren bei Fahrstreifenwechsel von links nach rechts:


BGH v. 13.12.2016:
Der Auffahrunfall - hier beim Einscheren von links nach rechts - reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die - wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs - als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011, VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 7). - Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt - in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens - allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

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Auffahren wegen Fahrstreifenwechsels zum Ermöglichen des Einfahrens:


OLG Brandenburg v. 01.03.2007:
Kommt es in Höhe einer Autobahneinfahrt zu einer Kollision zwischen einem überholenden Kfz und einem vor einem einfahrwilligen Kfz-Führer nach links auf die Überholspur ausweichenden Klein-Lkw, so trifft den Klein-Lkw-Führer die volle Haftung; die Betriebsgefahr des überholenden Kfz tritt hinter dem groben Verschulden des Lkw-Fahrers zurück.

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Liegenbleiben von Fahrzeugen / Hindernisse:


Liegenbleiben von Fahrzeugen

Fahrbahnverengung - Vorbeifahren an einem Hindernis

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Auffahren auf Stau-Ende:


OLG Celle v. 21.09.2015:
Übersieht ein Fahrzeugführer aus Unachtsamkeit die eingeschalteten Warnblinkanlagen der vorausfahrenden Fahrzeuge, die hierdurch auf ein plötzlich auftretendes Stauende aufmerksam machen und fährt infolgedessen ungebremst auf das vorausfahrende Fahrzeug auf, stellt dies eine fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO dar.

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