"Der Kraftfahrer braucht nicht damit zu rechnen, dass ein Fußgänger das Überqueren einer mehrspurigen Straße über die Mittellinie hinaus fortsetzt, obwohl das Kraftfahrzeug bereits nahe ist. Dieser Vertrauensgrundsatz erfährt lediglich Einschränkungen im Bereich des § 3 Abs. 2a StVO gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, wobei jedoch selbst hier konkrete Umstände dafür sprechen müssen, dass ein nicht verkehrsgerechtes Verhalten einer solchen Person droht (vgl. etwa für 10 Jahre altes Kind auf Fahrrad in Richtung Fahrbahn: BGH, Urteil vom 1. Juli 1997 – VI ZR 205/96 – NJW 1997, 2756; für 11 Jahre altes Kind: OLG Hamm, Urteil vom 11. April 2005 – 13 U 133/04 – NZV 2006, 151 = DAR 2006, 272). Damit, dass der Antragsteller als erwachsener Fußgänger über die Mittellinie des S... Damm hinaus sich vor das unmittelbar herannahende Taxi begeben würde, musste der Antragsgegner ohne konkrete Anhaltspunkte nicht rechnen; Anhaltspunkt ist aber erst das Überschreiten der Mittellinie. ... Kann aber kein Verschulden des Kraftfahrers an der Kollision mit einem sorglos die Fahrbahn überquerenden Fußgänger festgestellt werden, tritt die Haftung aus Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges hinter dem groben Eigenverschulden des Fußgängers zurück (st. Rspr., vgl. Senat , Urteil vom 29. September 2003 – 12 U 315/01 – KGR 2004, 50 = DAR 2004, 30 = VRS 106, 4 = NZV 2004, 158 = VersR 2005, 809 L; KG, Urteil vom 3. März 2008 – 22 U 130/07 –). Dies gilt selbst dann, wenn das Kraftfahrzeug in einem Abstand von 40 m erkennbar herannahte, als der (alkoholisierte) Fußgänger die Fahrbahn betrat (vgl. Senat , Beschluss vom 6. Juni 2006 – 12 U 138/05 – KGR 2006, 745 = VRS 111, 166 = zfs 2007, 20 = NZV 2007, 80 = MDR 2007, 48)." |
1. | Grundsätzlich kann der Kraftfahrer darauf vertrauen, dass erwachsene Fußgänger die Fahrbahn nicht unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO betreten werden. > |
2. | Der Kraftfahrer muss dann auf die Fußgänger reagieren, wenn für ihn erkennbar wird, dass diese an der Fahrbahnbegrenzungslinie nicht anhalten werden und gegebenenfalls diese Linie tatsächlich zu überschreiten beginnen. |
3. | War der Kraftfahrer zu schnell oder hat er schuldhaft verspätet auf die Fußgänger reagiert, wirken sich diese Verkehrsverstöße - auch gegebenenfalls alternativ - unfallursächlich aus, wenn anderenfalls ein Unfall zwar nicht hätte vermieden werden können, die Unfallfolgen aber milder ausgefallen wären. |
4. | Die beiderseitigen Verursachungsbeiträge rechtfertigen in einem solchen Fall eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Fußgängers. |
1. | Der Kfz-Führer muss seine Fahrgeschwindigkeit nicht so weit reduzieren, dass er auf plötzlich auf die Fahrbahn tretende Hindernisse hätte reagieren können. Eine Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit ist nur geboten, wenn der Fahrer den Verkehrsablauf nicht vollständig überblicken und deshalb auftretende Hindernisse und Gefahren nicht so rechtzeitig bemerken kann, dass er ihnen mit Sicherheit begegnen kann (BGH, Urteil v. 23.04.2002, Az. VI ZR 180/01). |
2. | Das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 S. 2, S. 4 StVO) gilt nicht für plötzlich von der Seite auf die Fahrbahn gelangende Hindernisse, sondern betrifft die Sicht vor dem Fahrzeug. Der Beklagte zu 1. war deshalb nicht verpflichtet, seine Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass er Fußgänger, die sich am rechten Fahrbahnrand befinden, noch rechtzeitig erkennen und auf ein plötzliches Betreten der Fahrbahn hätte reagieren können (vgl. dazu auch OLG Dresden, Urteil v. 09.05.2017, Az. 4 U 1596/16). |
1. | Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. Beschluss vom 19.08.2014, Az.: VI ZR 308/13, NJW 2014, 3300) darf der Ersatzanspruch des Fußgängers, den im Gegensatz zu den Beklagten keine Gefährdungshaftung trifft, gem. § 9 StVG, § 254 BGB nur gekürzt werden, wenn feststeht, dass er den Schaden durch sein Verhalten mitverursacht oder mitverschuldet hat. |
2. | Die volle Haftung ohne Berücksichtigung der Betriebsgefahr trifft Fahrer und Halter des Kfz auch dann, wenn ungeklärt bleibt, wie die Ampelschaltung zum Zeitpunkt des Fahrbahnquerens durch den Fußgänger war. |