Das Verkehrslexikon

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Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

Der Beweisantrag im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren




Gliederung:


   Einleitung

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Allgemeines

Wahrunterstellung

Beweisantrag für Negativbehauptung

Anthropologisch-biometrisches Identitätsgutachten

Geschwindigkeitsmessung

Rotlichtverstöße

Verfahrensrechtliches




Einleitung:


Obwohl Straf- und Bußgeldverfahren vom sog. Amtsermittlungsgrundsatz bestimmt sind und daher Verfolgungsbehörden und Gerichte alle belastenden und entlastenden Umstände bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen haben, haben Angeklagte bzw. Betroffene in beiden Verfahrensarten das Recht, einzelne Beweiserhebungen zu verlangen; dies geschieht durch einen entsprechenden an relativ strenge Voraussetzungen geknüpften Beweisantrag.


Umgekehrt sind aber auch dem Gericht gesetzlich die Gründe vorgegeben, aus denen es einen Beweisantrag ablehnen darf. Hierbei haben entsprechend der geringeren Bedeutung bei der Beurteilung der Massendelikte im Bußgeldverfahren die Gerichte mehr Freiheit als im Strafverfahren.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Beweisführung

Fotobeweis und Gegen-Beweisantrag

Der Sachverständigenbeweis im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

Die Beweiswürdigung in Straf- und Bußgeldsachen

Rechtliches Gehör

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Allgemeines:


OLG Karlsruhe v. 14.01.1988:
Die gesetzliche Neuregelung des OWiG § 77 Abs 1 hält an dem Grundsatz fest, dass das Gericht verpflichtet ist, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Der Tatrichter kann zwar den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen. Sobald sich aber die Erhebung des Beweises aufdrängt oder sie zumindest nahelegt, muss der Tatrichter dem nachgehen.

OLG Hamm v. 07.09.2004:
Die Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist für die Ablehnung eines Beweisantrags nicht ausreichend.

OLG Hamm v. 28.09.2004:
Wird die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gerügt, so müssen außer dem Inhalt des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) auch der Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses und insbesondere die Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Beschlusses ergeben soll.

OLG Hamm v. 09.05.2006:
Zum notwendigen Vorbringen gehört bei der Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages die genaue Wiedergabe des Inhalts des gestellten Beweisantrages nach Beweistatsache und Beweismittel sowie des Inhaltes des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses sowie der die Fehlerhaftigkeit dieses Beschlusses ergebenden Tatsachen durch die Rechtsbeschwerde.

OLG Hamm v. 11.12.2006:
Bei einem standardisierten Messverfahren (hier: Lasermessung mit RIEGL LR90-235/P) drängt sich eine weitere Beweisaufnahme auf bzw. liegt diese nahe, wenn konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes behauptet werden.

OLG Hamm v. 25.08.2008:
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist nur dann gegeben, wenn die erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Partei hat. Das kann bei der Ablehnung eines Beweisantrags selbst dann nicht angenommen werden, wenn das Amtsgericht einen vom Betroffene gestellten Beweisantrag entgegen den Grundsätzen der §§ 77 OWiG, 244 StPO abgelehnt hat. Die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen es sich aufdrängt und nicht zweifelhaft erscheint, dass ein Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde.

OLG Hamm v. 06.08.2009:
Die in einem Antrag aufgestellte Behauptung („Zwischen dem Betroffenen und der auf dem als Beweismittel dienenden Frontfoto nur teilweise erkennbaren Person besteht keine Identität“) benennt das Beweisziel und keine Beweistatsache. Ob die fragliche Identität besteht oder nicht, ist ein Schluss, der sich aus einem Vergleich zwischen Foto und Betroffenem sowie den darauf erkennbaren Merkmalen ergibt. Diesen Schluss hat das Gericht zu ziehen (§ 261 StPO). Ein Sachverständiger kann insoweit nur unterstützend tätig werden und dem Tatrichter die Sachkunde vermitteln, die er ggf. selbst nicht besitzt. In einem Beweisantrag müssen daher als Anknüpfungstatsachen einzelne unterscheidende morphologische Merkmale genannt werden.

OLG Hamm v. 28.03.2010:
Ein Beweisantrag darüber, dass eine Messung mit einem mit CAN-Bus ausgerüsteten Fahrzeug erfolgt sei, darf vom Tatrichter nicht zurückgewiesen werden, wenn davon abhängt, dass ein Toleranzabzug von 20% von der gemessenen Geschwindigkeit vorgenommen werden muss.




OLG Jena v. 27.06.2011:
Die unterlassene Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten - nicht offensichtlich unzulässigen - Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG); hier: Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.

OLG Oldenburg v. 23.11.2011:
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn es nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde. Zwar ist nicht jede rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags gem. § 77 OWiG zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine Gehörsverletzung ist (nur) dann gegeben, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags einer Partei hat. Dies ist der Fall, wenn auf der Hand liegt, dass das Gericht den Inhalt eines Beweisantrags gar nicht zur Kenntnis genommen hat.

BGH v. 01.12.2011:
Ein Beweismittel ist völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach sicherer Lebenserfahrung feststeht, dass sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erreichen lässt und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste. Als Beweismittel eignet sich ein Sachverständiger dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen und hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen können.

OLG Brandenburg v. 21.06.2012:
Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG verpflichtet, die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Den Umfang der Beweisaufnahme hat der Amtsrichter - unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache, § 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG - nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. In § 77 Abs. 2 OWiG ist für die Beweisaufnahme im Bußgeldverfahren zudem eine über das Beweisantragsrecht in der Strafprozessordnung (§ 244 Abs. 3 bis 6 StPO) hinausgehenden Sondervorschrift normiert. Danach kann das Gericht, wenn es den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hält, einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

KG Berlin v. 07.01.2014:
Im Ordnungswidrigkeitenverfahren kann das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 2 OWiG einen Beweisantrag ablehnen, wenn eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, es den Sachverhalt für geklärt erachtet und die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nach seinem pflichtgemäßen Ermessen nicht erforderlich ist.

KG Berlin v. 13.05.2015:
Ein Beweisantrag ist auch dann gegeben, wenn der Betroffene die nach seiner Auffassung zu vernehmenden Polizeibeamten nicht benennt. Denn bei der Benennung eines Zeugen genügt der Vortrag derjenigen Tatsachen, die es dem Gericht ermöglichen, ihn zu ermitteln oder zu identifizieren, so z.B. wenn der Zeuge unter Berücksichtigung des Beweisthemas über seine Tätigkeit insbesondere in einer Behörde zu individualisieren ist.

OLG Düsseldorf v. 31.01.2017:
Bei der Ablehnung eines Beweisantrages kommt ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs erst dann in Betracht, wenn die Ablehnung ohne nachvollziehbar, auf des Gesetz zurückzuführende Begründung erfolgt, die tatrichterliche Entscheidung mithin unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und als willkürlich angesehen werden muss (BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Köln NStZ-RR 1988, 345, 346; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2015 - IV-3 RBs 15/15, 3 RBs 15/15, 3 RBs 15/15 – IV 3 RBs 15/15 - 2 Ss OWi 23/15, 3 RBs 15/15 - 2 Ss OWi 23/15 -, Rn. 14, juris; KK-Senge, OWiG, 4, Aufl., § 80 Ihn. 41d).

KG Berlin v. 23.04.2018:
Der Beschluss, durch den ein Beweisantrag abgelehnt wird, ist grundsätzlich der Auslegung zugänglich, so dass auch ein anderer Ablehnungsgrund als der tatsächlich bezeichnete zum Tragen kommen kann. - Das Revisionsgericht darf den Beschluss jedoch nur dann gegen den unmittelbaren Wortlaut auslegen, wenn der zum Tragen kommende Ablehnungsgrund für den Revisionsführer auch erkennbar war und er sich darauf einstellen konnte.

KG Berlin v. 22.11.2018:
   Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist der Richter vom Verbot der Beweisantizipation im Ordnungswidrigkeitenverfahren bereit und kann einen Beweisantrag ablehnen, wen

     1.  bereits eine Beweisaufnahme über eine entscheidungserhebliche Tatsache stattgefunden hat,

     2.  der Sachverhalt nach Überzeugung des Richters dadurch geklärt ist und

     3.  die beantragte Beweiserhebung zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

OLG Bremen v. 15.04.2020:
Mit einem Vortrag des Betroffenen ins Blaue hinein, der nicht durch konkret festgestellte Anhaltspunkte getragen wird, sind keine konkreten Zweifel an den Messergebnissen eines standardisierten Messverfahrens zu begründen.

BayObLG v. 04.12.2020:
Der Ablehnungsbeschluss eines unbedingten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Bußgeldverfahren muss begründet werden. Die Begründung darf nicht den Urteilsgründen überlassen werden.

OLG Düsseldorf v. 16.05.2022:
  1.  Bei der Beanstandung, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, handelt es sich der Sache nach um eine Aufklärungsrüge, die nur dann in zulässiger Weise erhoben ist, wenn eine konkrete Beweistatsache behauptet, ein bestimmtes Beweismittel benannt und dargelegt wird, welche Umstände den Tatrichter zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre.

  2.  Der Tatrichter ist nicht gehalten, Unterlagen, über die auch die Ermittlungsbehörden nicht verfügen und die lediglich der Verteidiger aus seiner Perspektive für bedeutsam hält, außerhalb der richterlichen Aufklärungspflicht bei Dritten herbeizuschaffen.

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Wahrunterstellung:


BGH v. 02.06.2015:
Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aus. - Nicht jede Nichterwähnung einer als wahr unterstellten Beweistatsache im Urteil ist gleichbedeutend mit einem Erörterungsmangel. Vielmehr bedarf es einer Auseinandersetzung mit den als wahr unterstellten Tatsachen in den Urteilsgründen nur, wenn sie sich angesichts der im Übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweiswürdigung sich sonst als lückenhaft erwiese.

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Beweisantrag für Negativbehauptung:


OLG Bamberg v. 17.03.2017:
Wird mit dem Antrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens nur unter Beweis gestellt, dass der Betroffene zur Tatzeit nicht der Führer des Tatfahrzeugs gewesen sei, genügt dies als Negativtatsache in Gestalt des erhofften Beweisziels regelmäßig nicht den für einen förmlichen Beweisantrag notwendigen Anforderungen an eine bestimmte Beweisbehauptung, weshalb allenfalls von einem Beweisermittlungsantrag auszugehen ist (u.a. Anschluss an BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017, 2 StR 509/16, NJW 2017, 1691; OLG Hamm, Beschlüsse vom 15. September 2009, 3 Ss OWi 689/09, VRR 2010, 113 und 17. Februar 2009, 4 Ss OWi 86/09 [juris])

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Anthropologisch-biometrisches Identitätsgutachten:


Anthropologisch-biometrisches Identitätsgutachten

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Geschwindigkeitsmessung:


Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit

Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren

OLG Celle v. 26.06.2009:
Zur fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die konkret behauptete und im Einzelnen bezeichnete Fehlerhaftigkeit der Durchführung des Funktionstest von Display und Visier eines Geschwindigkeitsmessgeräts.

OLG Hamm v. 15.12.2015:
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass Beweisanträge, auf die es für die Entscheidung ankommt, vom Gericht berücksichtigt werden müssen, sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen. Die Ablehnung eines Beweisantrages ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt deshalb das rechtliche Gehör. Auch die unterlassene Verbescheidung eines in der Hauptverhandlung gestellten - nicht offensichtlich unzulässigen - Beweisantrages verletzt das Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

AG Castrop-Rauxel v. 12.02.2016:
Ist eine im Verfahren zu prüfende Messsituation in der Bedienungsanleitung geregelt (hier: Messfeldrahmen über dem gemessenen Fahrzeug und einem nachfolgenden Fahrzeug im Messung-Ende-Bild), dann braucht das Gericht einem Beweisantrag der Verteidigung auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen. Die von der Verteidigung erhobene Rüge, die Verwaltungsbehörde habe willkürlich Messfotos genommen, um einen falschen Eindruck zu erwecken, ist solange unbeachtlich wie die Verteidigung nicht konkrete Anhaltspunkte benennt, aus denen sich die Willkür der Behörde ergibt oder sich diese aus der Akte ergeben.

OLG Düsseldorf v. 16.05.2022:
Der Tatrichter ist nicht gehalten, Unterlagen, über die auch die Ermittlungsbehörden nicht verfügen und die lediglich der Verteidiger aus seiner Perspektive für bedeutsam hält, außerhalb der richterlichen Aufklärungspflicht bei Dritten herbeizuschaffen.

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Rotlichtverstöße:


Der Sachverständigenbeweis im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

KG Berlin v. 25.01.2017:
Ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der in Augenschein genommene Ampelschaltplan nicht die Schaltung zum Unfallzeitpunkt wiedergibt, darf nicht mit formelhafter Begründung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden, wenn der Betroffene zugleich darlegt, dass sich aus einem präsenten Videomitschnitt eine Ampelschaltung ergibt, die mit dem Ampelschaltplan nicht in Einklang steht.

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Verfahrensrechtliches:


Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Stichwörter zum Thema Beweisführung

OLG Düsseldorf v. 03.05.1991:
Die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung von "Gegenzeugen" ist nach der Vernehmung nur eines Belastungszeugen bei besonderen Umständen des Einzelfalles nach OWiG § 77 Abs 2 Nr 1 zulässig. Derartige besondere Umstände sind zu bejahen, wenn die Aussage eines dem Gericht als zuverlässig bekannten, den Verkehrsverstoß beobachtenden Polizeibeamten durch die Benennung von zwei in den Vorfall verwickelten Entlastungszeugen entkräftet werden soll, bei denen es sich um Kollegen des Betroffenen handelt.

KG Berlin v. 05.12.2011:
Der Ablehnungsgrund der verspäteten Antragstellung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG setzt voraus, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen müsste. Darunter ist nur die Aussetzung gemäß § 228 StPO mit der Folge, dass die Hauptverhandlung neu durchgeführt werden muss, nicht auch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung iSd § 229 StPO gemeint. Der Richter muss sich deshalb vor der auf § 77 Abs. 2 Satz 2 OWiG gestützten Ablehnung eines Beweisantrages Gewissheit darüber verschaffen, ob die Hauptverhandlung mit der beantragten Beweiserhebung innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO fortgeführt werden kann.

OLG Köln v. 30.10.2012:
Mit der Rechtsbeschwerde müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen so genau bezeichnet und vollständig angegeben werden, dass das Beschwerdegericht schon anhand der Rechtsbeschwerdeschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Wird die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gerügt, so muss der Inhalt des Beweisantrages, der Inhalt des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses und die Tatsachen, aus denen sich die angebliche Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt, mitgeteilt werden.


OLG Bamberg v. 19.03.2013:
Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, das Gericht habe in der Hauptverhandlung eine von der Verteidigung beabsichtigte Beweisantragstellung durch "Nichtzulassung" vereitelt und die Protokollierung des Antrags entgegen § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO verweigert, setzt eine hierauf gestützte Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung, sofern das Protokoll über das behauptete Verfahrensgeschehen keine Auskunft gibt, nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für ihre Zulässigkeit Darlegungen zum Wegfall der Beweiskraft des Protokolls voraus, aus denen sich entweder die offenkundige Fehlerhaftigkeit des Protokolls oder aber der Nachweis einer bewussten gerichtlichen Falschprotokollierung ergibt.

OLG Bamberg v. 20.01.2016:
Die Ablehnung eines Beweisantrages vermag nur dann einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör zu begründen, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruht, der seinen Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen hat und dadurch zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird. - Ein Fall der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen liegt nicht vor, wenn der Tatrichter den Beweisantrag des Betroffenen zur Kenntnis genommen und durch begründeten Beschluss über ihn entschieden und sich in den Urteilsgründen darüber hinaus mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Betroffenen auseinander gesetzt hat.

OLG Celle v. 28.06.2016:
§ 74 Abs. 1 Satz 2 OWIG soll sicherstellen, dass zum Ausgleich für die weitgehende Durchbrechung der auch im Bußgeldverfahren zu beachtenden Mündlichkeits- und Unmittelbarkeitsgrundsätze alle wesentlichen Erklärungen, die der Betroffene in irgendeinem Stadium des Verfahrens zu der gegen ihn erhobenen Beschuldigung abgegeben hat, im Falle des ihm gestatteten Fernbleibens von der Hauptverhandlung bei der Entscheidung berücksichtigt werden. - Deshalb müssen die vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich gestellten Anträge des Betroffenen in einer Abwesenheitsverhandlung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden.

OLG Hamm v. 27.12.2016:
Eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Amtsgericht Beweisanträge des Betroffenen mit der Kurzbegründung des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnt, sich aber in den schriftlichen Urteilsgründen lediglich mit einem der gestellten Beweisanträge auseinandersetzt.



OLG Hamm v. 24.01.2017:
Wird eine Verfahrensrüge auf eine rechtsfehlerhafte Behandlung eines Beweisantrages gestützt, so muss sich aus dem Rügevorbringen ergeben, dass der entsprechende Beweisantrag in der Hauptverhandlung gestellt wurde (und nicht etwa nur schriftsätzlich vor der Hauptverhandlung).

OLG Hamm v. 09.03.2017:
Zwar kann die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags die Gehörsrüge begründen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages der Partei hat, und wenn durch sie zugleich das unabdingbare Maß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verkürzt wird.

OLG Hamm v. 05.02.2019:
Wird ein Beweisantrag erst nach Urteilsverkündung beschieden, kann dies die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs begründen.

OLG Düsseldorf v. 16.05.2022:
Bei der Beanstandung, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, handelt es sich der Sache nach um eine Aufklärungsrüge, die nur dann in zulässiger Weise erhoben ist, wenn eine konkrete Beweistatsache behauptet, ein bestimmtes Beweismittel benannt und dargelegt wird, welche Umstände den Tatrichter zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre.

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