1. |
Erwiesen wird die "Gelegentlichkeit" einer Cannabiseinnahme nach einer auf Konsumverdacht positiven Verkehrskontrolle dadurch, dass bestehende THC-Konzentration von 7,5 ng/ml keinesfalls auf einem drei Tage zuvor stattgefundenen Cannabiskonsum beruhen kann. Denn nach wissenschaftliche Berechnungen sind bereits zwölf Stunden nach dem Rauchende nur noch THC-Konzentrationen im Blut aufzufinden, die zwischen 0,02 und 0,70 ng/ml liegen; nach der Untersuchung von Huestis/Henningfield/Cone liegt die THC-Konzentration zwölf Stunden nach dem Abschluss des Rauchvorgangs unter 0,90 ng/ml.
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2. |
Die Wiedererlangung der Fahreignung nach eignungsausschließendem Cannabiskonsum würde entweder voraussetzen, dass der Betroffene sich regelmäßig mindestens ein Jahr lang nachweislich des Konsums von Cannabis (sowie anderer illegaler Drogen) enthalten hat, und dass diese Abstinenz auf einem tiefgreifenden, dauerhaften Einstellungswandel gegenüber Betäubungsmitteln beruht. Da der Gebrauch von Cannabis die Fahreignung nur unter den in der Nummer 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführten Voraussetzungen ausschließt, wäre eine Wiedererlangung der Fahreignung zum anderen auch dann zu bejahen, wenn der Betroffene zwar weiterhin dieses Betäubungsmittel einnehmen würde, er den Entscheidungsträgern bei der Antragsgegnerin und bei Gericht jedoch die Überzeugung zu vermitteln vermöchte, dass kein regelmäßiger Gebrauch dieser Droge im Sinn der Nummer 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung durch ihn stattfindet und er künftig mit Sicherheit keine der in der Nummer 9.2.2 genannten "Zusatztatsachen" verwirklichen wird.
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1. |
Fahrungeeignet ist nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung derjenige, der regelmäßig Cannabis einnimmt. Das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit ist zumindest im Normalfall nur dann erfüllt, wenn Haschisch oder Marihuana täglich oder nahezu täglich konsumiert wird (vgl. etwa BayVGH vom 8.2.2008 Az. 11 CS 07.3017). Dafür ist das Rauchen von ein bis zwei Joints täglich über einen Zeitraum von etwas mehr als einem halben Jahr ausreichend.
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2. |
Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist Fahreignung nur dann gegeben, wenn der Betroffene zwischen dem Konsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ausreichend sicher trennen kann (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Gelegentliche Einnahme von Cannabis liegt vor im Fall von mindestens zwei selbständigen Konsumakten.
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3. |
Teilt die Polizei einen Sachverhalt mit, bei dessen Ermittlung sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat, führt das nicht unbedingt zu einem Verwertungsverbot für das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren. Denn aus der behördlich angeordneten Fahrerlaubnisentziehung ergeben sich keine Auswirkungen für das im Hinblick auf den betreffenden Vorfall durchgeführte Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Andererseits dürfen auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren jedenfalls solche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, die unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen wurden. Hierzu gehören jedenfalls alle Verstöße, bei denen die Menschenwürde des Betroffenen verletzt wird.
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4. |
Kommt der Betroffene im Verwaltungsstreitverfahren einer Aufforderung des Gerichts, Angaben zu seinen Konsumgewohnheiten zu machen, nicht nach, dann kann dies zu seinem Nachteil verwendet werden. Grundsätzlich hat jeder Prozessbeteiligte den Prozessstoff umfassend vorzutragen, also auch bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken; das gilt insbesondere für die „in seine Sphäre fallenden Ereignisse“. Dass die Angaben über Art, Umfang und Regelmäßigkeit seines Cannabiskonsums nur der Konsument selbst machen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Dass im Verfahren zur Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis, das dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuzurechnen ist, kein Recht besteht, etwaige Fahreignungsmängel zu verbergen, zeigt bereits die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV.
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1. |
Kommt es erst nach der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zu einer Veränderung der die örtliche Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG das Verwaltungsverfahren fortführen. Die Subsidiarität des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Art. 1 Abs. 1 BayVwVfG) steht der Anwendung dieser Vorschrift im Fahrerlaubnisrecht nicht entgegen.
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2. |
Die Annahme eines zur gelegentlichen Einnahme von Cannabis hinzutretenden Gebrauchs von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen im Sinn der zweiten Alternative der Nummer 9.2.2 setzt nicht voraus, dass sich der Betroffene beide Substanzen gleichzeitig zugeführt hat ("handlungsbezogene Betrachtungsweise"). Entscheidend - wenngleich ggf. nicht ausreichend - ist vielmehr, dass Ethanol und Tetrahydrocannabinol (bzw. eine sonstige psychoaktiv wirkende Substanz) gleichzeitig dergestalt im Körper eines Menschen vorhanden sind, dass es zu einer Überlappung ihrer Wirkungen kommen kann ("wirkungsbezogene Betrachtungsweise").
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3. |
Die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht befugt, ein kombiniert medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten anzufordern, um auf diese Weise in Erfahrung zu bringen, ob - und bejahendenfalls mit welcher Wahrscheinlichkeit - die Gefahr besteht, dass der Betroffene unter dem gleichzeitigen Einfluss von Alkohol und Cannabis in einen psychotischen Zustand mit einem daraus resultierenden Kontrollverlust geraten könnte. Dass zu diesem Zweck jedenfalls keine psychologische Begutachtung verlangt werden darf, folgt daraus, dass die zutreffende Beantwortung der vorbezeichneten Fragestellung psychiatrische und pharmakologisch-toxikologische Kenntnisse voraussetzt. Sie fällt damit in die fachliche Kompetenz von Ärzten, Pharmakologen sowie ggf. von Naturwissenschaftlern mit sonst einschlägiger Vorbildung. Ein rechtfertigender Grund, den Betroffenen zur Abklärung dieser Problematik auch einer psychologischen Untersuchung zu unterziehen (sie dient der Feststellung, wie sich eine Person angesichts ihrer ethischen Fundierung, ihrer Motivationslage und ihrer Willenskraft in Zukunft verhalten wird), ist demgegenüber nicht erkennbar.
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4. |
Die medizinische Wissenschaft verfügt über keine Erfahrungssätze, die es ermöglichen, eine bezifferbare Wahrscheinlichkeit für das Auftreten psychischer Zustände anzugeben, die mit einem Kontrollverlust hinsichtlich des Trennvermögens zwischen Alkohol- und Cannabisaufnahme und dem Führen von Kraftfahrzeugen einhergehen.
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5. |
Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens einzelfallbezogen fest, welche Fragen im Hinblick auf die Fahreignung des Betroffenen zu klären sind. Der Einhaltung dieser rechtlichen Vorgabe kommt nicht nur deshalb erhebliche Bedeutung zu, weil die von der Fahrerlaubnisbehörde formulierten Fragestellungen nach der Nummer 1 Buchst. a Satz 2 und nach der Nummer 1 Buchst. b der Anlage 15 zur Fahrerlaubnis-Verordnung den Rahmen abstecken, innerhalb dessen der zu beauftragende ärztliche Sachverständige bzw. die einzuschaltende Begutachtungsstelle für Fahreignung nur tätig werden dürfen. Die exakte und zutreffende Festlegung des Untersuchungsziels ist zusammen mit der nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV vorgeschriebenen Mitteilung der Gründe, aus denen die Behörde Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen herleitet, vor allem deshalb erforderlich, um diesem eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung an die Hand zu geben, ob er sich der geforderten Untersuchung von Rechts wegen unterziehen muss (und unabhängig hiervon unterziehen will).
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10. |
Es obliegt der Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV, zu bestimmen, ob der Betroffene einen Abstinenznachweis erbringen muss, auf welche Art und Weise (z.B. durch die Untersuchung von Körperflüssigkeiten oder durch Haaranalysen) und in welchem Umfang das zu geschehen hat, und welche Anforderungen (z.B. Vorkehrungen gegen Manipulationsversuche) beachtet worden sein müssen, damit die Behörde derartige Nachweise als aussagekräftig anerkennt. Dass all diese Entscheidungen nicht dem vom Betroffenen zu beauftragenden Arzt oder der von ihm einzuschaltenden Begutachtungsstelle für Fahreignung überlassen werden dürfen, folgt bereits daraus, dass sie nur auf der Grundlage einer zutreffenden Erfassung der Rechtslage sachrichtig getroffen werden können. Rechtsfragen zu beantworten aber ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen, sondern der hierzu berufenen Entscheidungsträger.
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1. |
Aus einem THC-Wert, der in einer Blutprobe festgestellt wurde, kann im Wege der Rückrechnung nicht mit Genauigkeit ermittelt werden, wie hoch der THC-Spiegel zu einem bestimmten, vor der Blutentnahme liegenden Zeitpunkt war. Auf die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC darf aber insoweit zurückgegriffen werden, als sich aus ihnen – gleichsam im Wege des Ausschlussverfahrens – "negative" Aussagen dergestalt herleiten lassen, dass ein für einen bestimmten Zeitpunkt eingeräumter oder sonst feststehender Konsum von Cannabis keinesfalls (alleine) für die Konzentrationen ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden waren.
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2. |
Ein bei dem Betroffenen gefundener hoher Wert von 210,7 ng/ml THC-COOH spricht für einen zumindest gelegentlichen Cannabisgebrauch. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann jedenfalls bei festgestellten THC-COOH-Konzentrationen, die über 150 ng/ml liegen, der Beweis für einen häufigeren Konsum von Cannabis als erbracht angesehen werden. |
1. |
Ein einmaliger Konsum kann nur dann angenommen werden, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurück liegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dabei ist vor dem Hintergrund des äußert seltenen Falles, dass eine Person nach einem einmaligen Cannabiskonsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss.
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2. |
Es erscheint jedoch angemessen, die für das Trennungsvermögen bei straßenverkehrsrechtlichem Alkoholmissbrauch nach Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV entwickelten Grundsätze in Nr. 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien auch bei gelegentlichem Cannabiskonsum entsprechend heranzuziehen. Bestehen Zweifel, ob der Eignungsmangel fortdauert, so ist die Behörde gehalten, diese Frage gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV medizinisch-psychologisch abklären zu lassen. Hat der Betroffene aus eigenem Antrieb im Abstand von jeweils ca. drei Monaten drei negative Haaranalysen vorgelegt, kann zwar damit ein sehr seltener Konsum nicht völlig ausgeschlossen werden. Jedoch ist dsas unerheblich, denn der Betroffene muss keine Abstinenz einhalten, sondern nur den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs ausreichend trennen. Es muss daher mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV - auch im Widerspruchsverfahren - noch aufgeklärt werden, ob das Trennungsvermögen stabil und verlässlich wieder hergestellt ist.
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1. |
Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es, ab einer THC-Konzentration von über 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung bei gelegentlichem Cannabiskonsum und mangelndem Trenvermögen die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist. Darauf, ob drogentypische Ausfallerscheinungen bzw. Fahruntüchtigkeit feststellbar waren, kommt es nicht an.
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2. |
Von zumindest gelegentlichem Cannabiskonsum ist auszugehen, wenn diese Droge zwei Mal in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde.
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3. |
Eine Konzentration von 181,7 ng/ml THC-COOH, die in etwa 24 Stunden nach der angegebenen Cannabisaufnahme entnommenen Blutprobe festgestellt wurde, ist nur erklärbar, wenn der Konsument ein weiteres Mal Cannabis konsumiert hat. Jedenfalls ist dieser Wert nicht durch einen einmaligen ca. 24 Stunden zurück liegenden Cannabiskonsum zu erzielen. Es ist auch davon auszugehen, dass ein Wert von 56,9 ng/ml THC im Blut nicht durch einen ca. 24 Stunden zurückliegenden Konsum von Cannabis, gleich welcher Intensität oder Menge, erzielt werden kann. Diese Werte lassen vielmehr auf einen häufigen Cannabiskonsum schließen.
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4. |
Steht gelegentlicher Cannabiskonsum fest und steht infolge der Verkehrsteilnahme auch mangelndes Trennvermögen fest, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen.
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5. |
Eine im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beachtende, mögliche Wiedererlangung der Fahreignung gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist nicht anzunehmen, wenn die sogenannte „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Innerhalb dieser Frist darf die Behörde nach § 11 Abs. 7 FeV, d.h. ohne weitere Sachverhaltsaufklärung, entscheiden, da innerhalb dieses Jahres keine Wiedererlangung gegeben sein kann. Die Einjahresfrist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem behauptet wird oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Abstinenz vorliegt.
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